Was für eine Nacht, es gab seltsame Geräusche, rotes Licht und einen Wecker um 2:30 und 2:45 Uhr. Wider Erwarten war es auch noch warm in der Nacht. Um 6:50 Uhr wollten wir starten, nur Seth ist pünktlich, wir 3 Ladies sind zu spät. Erst um 7:10 sind Janina und ich startklar, Katja muss noch ihre Wasserblase für den Rucksack füllen und kommt nach.
Ohne Frühstück geht es knapp 3 km weiter zum nächsten Ort. Am Ortseingang hat jemand seine Garage zum Pilgercafe umgebaut. Rolltor hoch und schon gibt es alles was ein hungriger Pilger für untwegs braucht, gute Musik gibt es gratis dazu. Katja kommt auch um die Ecke und wir frühstücken mit Kaffee, Orangensaft und Kuchen. Die Banane und Kekse kommen in den Rucksack.
Es ist noch kühl am Morgen und wir bleiben nicht lange sitzen. Die Landschaft ist wunderschön und erinnert an die Toskana. Leider gibt es immer wieder heftige Anstiege. Der Frühling ist hier schon weit fortgeschritten, die Pfingstrosen blühen. Die ersten Weingärten liegen am Wegesrand, wir sind in der Region Rioja angekommen.
Wir treffen den Franzosen mit Pilgerwagen und Hund wieder. Er zeltet oft im äußeren Eingangsbereich von Kirchen, da es mit Hund sehr schwierig ist, eine Herberge zu finden. Das ist ein sehr spartanisch für den Jakobsweg! Respekt!
In Estella entern wir einen kleinen Outdoorladen. Katja und Seth erwerben Wanderstöcke, ich etwas Seife. Janina chillt mit Ben draußen auf einer Bank. Wir sind schon völlig fertig und wollen nicht die steilen Treppen hoch zur Kirche. Das war ein Fehler! Wie wir später von Rotraud erfahren, hat die Kirche wunderschöne bunte Glasfenster und einen großen Kreuzgang aus dem 11. Jahrhundert.
Gegen 13:00 Uhr gibt es ein Bocadillo für uns. Wir brauchen eine Grundlage für die Rotweinquelle von der Bodegas Irach, der Rioja kommt dort aus einem (Wasser-)Hahn direkt aus der Wand und kann kostenlos gezapft werden. Natürlich gibt es nur einen Becher für jeden! Kontrolliert wird das über eine für alle zugängliche Webcam. Wir nutzen diese Webcam, um unseren Männern in Echtzeit zu winken. Verrückte Welt!
Leicht angeschickert geht es weiter, eigentlich wären wir schon gern am Ziel, aber wir müssen noch 8 km laufen. Plötzlich liegt vor uns ein großes Lavendelfeld, es schimmert schon leicht lila. Wir kämpfen uns mühsam den letzten Berg hoch. Endlich sind wir angekommen und werden mit Zitronenwasser begrüßt. Rotraud ist auch schon hier, sie hat gerade noch ein Notbett bekommen und schläft auf einer Matratze unterm Dachboden. Dieses Jahr scheint es schwieriger zu sein, ohne Reservierung ein Bett zu bekommen.
Wir treffen auch die 76-jährige Niederländerin wieder. Wir unterhalten uns gut. Sie war im Dezember sehr schwer krank, hatte im Februar eine Bauch-OP und ist seit einer Woche ganz allein auf ihrem Jakobsweg. Heute hatte sie ihren Pass und ihre Visacard unterm Kopfkissen in der Herberge gelassen. Nach 10 km hat sie es erst bemerkt und hat in der nächsten Bar die Inhaberin der Herberge angerufen. Gottseidank wurde alles per Auto gebracht. Sie war sehr dankbar!
Das Pilgermenü war sehr gut und fand in einer großen gemütlichen Wohnküche statt.
Todmüde gehe ich danach zu Bett, wir sind heute 28 km gelaufen.